Samstag, 10. Dezember 2016

Würstchenparty2.0

SM-Onlinecommunities sind ja bekanntlich eine Welt für sich. Und doch weisen spezielle SM-Foren, fetlife & Co viele Parallelen zur ganz alltäglichen Offline-Welt da draußen auf. Die Augenfälligste scheint mir zu sein, dass es in beiden Welten der männliche Teil der Gesellschaft ist, der sich die Freiräume aneignet, während es für Frauen nur sehr eingeschränkte Entfaltungsmöglichkeiten gibt. Blöde Anmachsprüche der selbsternannten Pickup-Artists in einer Diskothek am Samstagabend unterscheiden sich bei näherem Hinsehen kaum von den Bewerbungsschreiben verzweifelt auf der Suche befindlicher "devoter" Männer. Frauen, die auf die Idee kommen, diese Männerdomänen zu betreten - und das trifft auf die Anbaggerschuppen links und rechts der Reeperbahn genauso zu wie auf Online-SM-Communities wie fetlife oder die berühmt-berüchtigte "Sklavenzentrale" - werden mit den sexuellen Begierden räudiger Typen schlichtweg überschüttet. Männerlogik.

Die naheliegende und zu beobachtende Reaktion der Frauen ist nichts anderes als ein Rückzug aus diesen Räumen, was angesichts des Verhaltens der Männer wohl kaum jemanden verwundern dürfte. In Folge stellt sich in den Communities ein stetig zunehmender "Herrnüberschuss" ein, was die Verzweifelung unter den ausharrenden Männern weiter anwachsen und die "Bewerbungsschreiben" immer einfältiger werden lässt. Wehe der attraktiven Frau, die als nächstes auf die absurde Idee kommt, sich in einer dieser Communities anzumelden - die vielen verzweifelten Jungs stehen schon wie der "Rest vom Schützenfest" bereit, um das virtuelle Spermabad einzulassen - immer in der Hoffnung, dass sie selbst es sind, die mit ihrem leicht angepassten Kettenbriefanschreiben den großen Treffer ihres Lebens landen. Wen wundert es da noch, dass die einzigen Frauen, die sich diesem Affenzirkus aussetzen, diejenigen sind die damit hauptberuflich ihr Geld verdienen, oder sich wenigstens für ihr Leiden unter den Lustattacken der Übermacht an Wichsern finanziell entschädigen lassen möchten.

Diese Entwicklung ist sehr schade, denn sie bewirkt genau das Gegenteil von dem, was Online-Communities sein könnten: Orte des Austauschs und des Kennenlernens (Nein, Kennenlernen ist nicht das gleiche wie "Bewerbungsschreiben" mit Penisbild!), Orte an denen Menschen zusammenkommen - und sich nicht enttäuscht voneinander abwenden. Selbst habe ich jedenfalls verschiedentlich die Erfahrung gemacht, dass es absolut sinnlos ist, in einer dieser Communities zu einem interessanten Menschen Kontakt aufzunehmen, wenn dieser Mensch weiblich ist. Auch wenn ich aus naheliegenden Gründen keine "Sklavenbewerbungen" versende, wird ausgehend von den dort erfolgten Erfahrungen sogleich ein sexuelles Interesse unterstellt, sodass ein unvoreingenommener Erfahrungsaustausch und vielleicht das Kennenlernen eines irgendwie interessanten Menschens gar nicht erst zustande kommen kann.

Ich bin fest davon überzeugt, dass dieses allgegenwärtige und penetrante männliche Balzgehabe samt männlicher Raumaneignung für am Thema SM interessierte Frauen genauso nachteilig ist, wie für die vielen verzweifelten Jungs, deren Interesse vermutlich nicht ist, an diesen Orten unter sich zu bleiben. An die auf der Suche nach einer Herrin befindliche männliche Leserschaft sei gesagt: meinem Eindruck nach ist es nahezu unmöglich geworden, in den benannten Communities neue Damenbekanntschaften zu schließen. Ein Nachdenken über Alternativen zur Belagerung jeder neu angemeldeten Frau ist in jedem Fall lohnenswert.

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